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So reagieren Briten in Dorsten auf das Brexit-Chaos (erstellt am 02.02.2019 von DZ Jennifer Uhlenbruch - Foto )


DORSTEN. Das Brexit-Chaos beherrscht die überregionale Berichterstattung. Auch viele Briten in Dorsten verfolgen die Entwicklung in ihrem Heimatland gespannt. Und viele ziehen die gleiche Konsequenz. In Dorsten sind derzeit 106 Briten gemeldet, die nur die britische Staatsbürgerschaft haben. Seit 2015 haben 26 Briten einen Antrag auf Einbürgerung gestellt, vier weitere Anfragen liegen laut Stadt vor, zu denen aber noch kein schriftlicher Antrag gestellt wurde. Bis zum Brexit-Stichtag rechnet die Stadt mit weiteren Anfragen und Anträgen. Nach 47 Jahren „Probezeit“ hat auch der Rhader Laurence Browning nach der Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen, die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. „Bisher brauchte ich die nicht. Und ich könnte mir auch jetzt vorstellen, dass man als Brite in Deutschland nach dem Umzug nur einen Aufenthaltstitel beantragen muss und alles so weiter läuft wie bisher. Aber man weiß es eben nicht.“ Er wollte auf Nummer sicher gehen. „Ich wohne seit 1970 hier, bin seit 50 Jahren mit einer deutschen Frau verheiratet. Uns geht es auch um die Sicherheit fürs Alter.“ Also lernte er die mehr als 300 Fragen, absolvierte den Einbürgerungstest und ist seit 2017 deutscher Staatsbürger, behält damit also auch nach dem Austritt der Briten die Rechte und Privilegien eines EU-Bürgers. „Lebensmittelpunkt hier“ Die Unsicherheit trieb auch den Deutener Stuart Rickards dazu, sich nach 15 Jahren in Deutschland für den Einbürgerungstest anzumelden. „Ich hatte 33 von 33 Fragen richtig“, erzählt er stolz und lacht. Für seinen deutschen Pass muss er zwar noch einige Unterlagen einreichen, aber dass er ihn bekommt, ist wohl gewiss. Das zu wissen, gibt dem Physiotherapeuten Sicherheit. „Ich habe meinen Lebensmittelpunkt hier, habe eine Frau, zwei Kinder, ein Haus und einen Job.“ Er macht sich dennoch Gedanken, welche Konsequenzen ein Brexit – wie auch immer der aussehen wird – für ihn und seine Familie haben wird. „Meine Eltern wohnen in England. Ich glaube schon, dass sie uns weiterhin ganz einfach besuchen können. Aber was ist, wenn mit ihnen etwas ist? Kann man sie dann einfach hier pflegen?“ In seiner Familie hätten alle für den Verbleib Großbritanniens in der EU gestimmt. „Jedenfalls sagen das alle, mit denen ich spreche.“ Aber er weiß auch, dass die 52 Prozent der Briten, die für den Austritt gestimmt haben, „nicht alles Idioten sind“. „Die Briten denken seit jeher etwas anders als der Rest Europas, sie sind ein Inselvolk. Die Skepsis gegenüber Brüssel war immer groß. Eine Regierung weit weg von uns, sagt uns, was wir zu tun haben. So wurde das immer verbreitet. Und die Presse hat diese Sichtweise hochgekocht und so kommt dann eine solche Brexit-Stimmung zustande.“ Auch der Östricher John Carroll, der ein auf Public Relations (PR) und Übersetzungen spezialisiertes Unternehmen führt und mittlerweile ebenfalls die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, gibt der „schlechten PR der EU“ eine Mitschuld an dem Brexit-Votum. „Man bekommt sehr schnell mit, was die EU falsch macht, aber was sie richtig macht – und das ist mit Sicherheit eine ganze Menge – wird wenig berichtet.“ Das mache es den Populisten leicht. „Die Briten haben den Populisten geglaubt, die alles ganz einfach und wunderbar verständlich, aber falsch dargestellt haben, und jetzt sind die abgehauen, aber der Schaden ist angerichtet.“ Was im Moment in England passiere, sei einfach „peinlich“ und vor allem unnötig. „Das hätte alles nicht sein müssen. Die Briten haben sich ein Loch gegraben und sind hineingesprungen.“ John Carroll hofft, dass die Deutschen aus den Erfahrungen der Briten lernen und zitiert Otto von Bismarck: „Nur ein Idiot glaubt, aus den eigenen Erfahrungen zu lernen. Ich ziehe es vor, aus den Erfahrungen anderer zu lernen, um von vornherein eigene Fehler zu vermeiden.“ Die Briten hätten den großen Fehler gemacht, den Populisten zu glauben. „Die Deutschen sollten das nicht auch tun.“ Mit dem heutigen Wissen, so glaubt Carroll, würde keine Mehrheit der Briten mehr für den Brexit stimmen. „Aber diese Entscheidung ist unumkehrbar und wir müssen jetzt die Konsequenzen tragen.“ Vorträge zu Brexit und Europa Laurence Browning hält am 28. März (19.30 Uhr, Raum 106, 100 Cent) den Vortrag „Britannia rules the waves“ zum Thema Brexit in der VHS. Auf humorvolle und sehr britische Art erklärt er den Teilnehmern die historischen Hintergründe des aktuellen Brexit.„Brexit aus Versehen“ ist. Der Vortrag von Professor Paul J. J. Welfens am 2. April (VHS, 19 Uhr, Raum 106, 10 Euro) überschrieben. Der Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Bergischen Universität Wuppertal beantwortet die wichtigsten Fragen zum Brexit. Der Dorstener Freundeskreis Crawley lädt zur Podiumsdiskussion „Europa vor Ort“ am 4. Februar (18.30 Uhr, Lesecafé, Stadtbücherei Gladbeck, Friedrich-Ebert-Straße 8) ein. Für denDorstener Freundeskreis Crawley sind Marita Kipinski und Philip Ralph als Podiumsgäste eingeladen. Marita Kipinski ist 1. Vorsitzende des Vereins. Philip Ralph, gebürtig aus Crawley und schon in den 1980er-Jahren dort als Vorstandsmitglied und Pressesprecher für die Städtepartnerschaft aktiv, lebt seit 1987 in Gelsenkirchen. Heute ist er Vorstandsmitglied beim Dorstener Freundeskreis Crawley.Die beiden werden Einblicke in ihre tägliche Arbeit als Vermittler zwischen Bürgern innerhalb Europas und auch in ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit dem Brexit geben. Eine Veranstaltung der SPD-Landtagsfraktion NRW, Anmeldung erforderlich. www.machen-wir.de /europagladbeck


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