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Jubilee – fast ein Wunder! (erstellt am 24.12.2021 von Marita Kipinski DZ)
Dear Readers, Gestatten Sie mir bitte, dass ich mich vorstelle: Mein Name ist Jubilee und
ich bin eine original englische Telefonzelle. Das Licht der Welt erblickte ich im Jahre
1936. Sie werden sich vielleicht fragen, warum mein Vater, Giles Gilbert Scott, mir
ausgerechnet den Namen Jubilee gegeben hat. Nun, die Antwort liegt auf der Hand. Das
Silberne Thronjubiläum Seiner Majestät König Georgs V. hatte nur ein Jahr zuvor für
überschwängliche Freude im gesamten Commonwealth geführt und mir wurde nun die große Ehre
zuteil, an vielen Orten im ganzen Königreich die Menschen allein durch meine Anwesenheit an
dieses freudige Ereignis zu erinnern. In aller Bescheidenheit kann ich vermerken, dass mein
Ruhm sehr bald die Grenzen des Vereinigten Königreiches sprengte und mein so typisch
englisches Äußere mit der traditionsträchtigen Tudor Krone auf meinem Haupt und der
leuchtend rote Farbe auch auf dem Kontinent für Furore sorgte. So überraschte es mich gar
nicht, dass, anlässlich des 10jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft zwischen Dorsten
und Crawley, die lieben Bürger von Crawley ausgerechnet mich, Jubilee, den lieben Freunden
im fernen Dorsten schenkten. Diese Entscheidung machte mich natürlich überaus stolz (oder
„tickled pink“ -wie es in meiner Muttersprache heißt), aber ich will auch nicht verhehlen,
dass ich ein wenig Angst vor diesem Abenteuer hatte. Schließlich hatte ich nie zuvor meine
geliebte Insel verlassen und nun sollte ich auf dem Kontinent „ausgesetzt“ werden, in einem
Land, dessen Sprache ich nicht verstand und dessen Menschen, so hört man ja immer, keinen
Humor haben und schrecklich pflichtbewusst sind. Ich wurde also nach Deutschland kutschiert
und feierlich an meinem neuen Ehrenplatz am Eingang der Dorstener Fußgängerzone eingeweiht.
Zu meiner Begrüßung waren viele Menschen gekommen und -welch große Freude!- die meisten
sprachen Englisch mit mir. Ich fühlte mich sofort heimisch im schönen Dorsten und so sollte
es auch viele Jahre bleiben. Die wackeren Bürger von Dorsten erfreuten sich an meinem
strahlenden Rot und nutzten mein Telefon, dass sogar in Deutschland funktionierte. Leider
wendete sich das Blatt irgendwann, ich kann gar nicht sagen wann. Der Umgang mit mir wurde
rauer, ja regelrecht respektlos, oder sollte ich sagen „lieblos“? Wenn man vorher fast
zärtlich auf mich geschaut hatte, so fing man jetzt an, meine Scheiben zu zerkratzen und zu
zerstören und sogar die Kabel des Telefons wurden herausgerissen. Hässliche Plakate
verschandelten meinen Rücken und dann wurde auch noch meine wunderschöne Holztür komplett
zerstört, so dass der Wind durch mich hindurchpfiff und mir schrecklich kalt wurde. Ohne
funktionierendes Telefon, mit ramponiertem Äußeren und zu alt zum Kämpfen -wer sollte mich
denn jetzt noch lieben? Ich legte all meine Hoffnung in einen Brief an Seine Ehren, den
Bürgermeister von Dorsten, und berichtete ihm von den Qualen, denen ich tagtäglich
ausgesetzt war. Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Lange musste ich auf eine
Antwort warten, aber im September 2015 fand mein Flehen Gehör. Ich durfte endlich umziehen
und mein provisorisches Heim im Dorstener Bauhof beziehen. Auch dort war wieder Geduld
gefragt, denn die lieben Menschen des Freundeskreises Crawley mussten erst Himmel und Hölle
in Bewegung setzen, um das Geld für meine Wiederherstellung aufzutreiben. Sie haben es
schließlich geschafft und ihnen verdanke ich, dass ich in die Klinik der „Dorstener Arbeit“
verlegt wurde, wo man mich nach allen Regeln der deutschen Ingenieurskunst wieder in einen
respektablen Zustand versetzte. Es dauerte noch geraume Zeit, bis man einen neuen Standort
für mich gefunden hatte. In meinem Alter hat man aber gelernt, geduldig zu sein und es hat
sich allemal gelohnt. Jetzt stehe ich in all meiner wiedergewonnenen Pracht am Dorstener
Krankenhaus und genieße die Ruhe und Geborgenheit, die betreutes Wohnen uns Alten schenkt.
Niemand belästigt mich mehr, alle gehen respektvoll mit mir um und hin und wieder bleiben
sogar Menschen stehen und schauen neugierig in mein Inneres. Nach fast 90 Lebensjahren ist
natürlich nichts mehr wie es einmal war, aber ich denke, ich kann zufrieden sein. Je nach
Jahreszeit verändert sich mein Inneres sogar, das
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kreativen Damen des Freundeskreises Crawley zu verdanken. Am liebsten ist mir die
Weihnachtszeit. Girlanden und ein Weihnachtsmann und wunderschöne Christmas Cards aus
England schmücken mich und meine blankgeputzten Fensterscheiben und sorgen für die deutsche
Gemütlichkeit, die zur Adventszeit gehört. Es kommt mir fast vor wie ein Wunder, dass ich
meinen Lebensabend so unbeschwert genießen darf. Ich bin glücklich und überaus dankbar und
hoffe, dass es mir noch viele Jahre vergönnt sein wird, die Dorstener Freunde mit meinem
Anblick zu erfreuen. Your most humble servant Jubilee The Telephone Box